artikulation #1
Mladen Stilinović: The Language of Politics
(25.10.-30.11.2024)
von Sara Samardžić | november 2024

Die Ausstellung Die Sprache der Politik in der Galerie Martin Janda zeigt eine Sammlung von Arbeiten des Konzeptkünstlers Mladen Stilinović, die sich mit den politischen und ideologischen Dimensionen der Sprache beschäftigen. Stilinović beschäftigt sich in seinen Arbeiten mit der Art und Weise, wie Sprache – als grundlegendes Kommunikationsmittel – zu einem Werkzeug der Manipulation in politischen Systemen wird, und das alles durch omnipräsente Ironie und Zynismus (und Humor). Sprache bietet Ausdrucksmöglichkeiten, aber auch eine Bedrohung, die sich in jedem politischen Regime zeigt. In einer Zeit, in der wir in einer Atmosphäre des Misstrauens leben und die Rolle der Sprache in propagandistischen Mechanismen immer intensiver hinterfragen, stellt diese Ausstellung eine provokative Untersuchung dar, wie Sprache Ideologien, Macht und kollektives Bewusstsein formt. Die Ausstellung besteht aus vier Installationen und kleineren Einzelwerken aus verschiedenen Schaffensperioden von Stilinović.

Installation Zur Arbeit (1980–1984), bestehend aus Kartonpanelen mit Collagen, die abgenutzte politische Phrasen aus dem sozialistischen Jugoslawien zeigen, und einem Stuhl, der auf die Collagen gerichtet ist. Mit Bildern von Politikern in Sitzungen verweist diese Installation auf die Absurdität des Arbeitsethos in einem autoritären System, wo die Arbeit verherrlicht, aber auch als Mittel der Ausbeutung missbraucht wird. Die Collage an der Wand ist leicht geneigt, sodass sie den Eindruck erweckt, sich auf den Betrachter*in zuzubewegen, wodurch der ideologische Druck eines autoritären Regimes physisch spürbar wird. Es wird auch darauf angespielt, dass die Ideologie sowohl uns als auch die Sprache und Ausdrücke, die wir im täglichen Leben verwenden, belastet. Obwohl sie in dem ehemaligen Jugoslawien verankert ist, hat diese Installation auch Relevanz für die heutige Gesellschaft – eine Zeit, in der die Macht der Sprache bei der Gestaltung politischer Realitäten beleuchtet wird.

Nach der Untersuchung der Ideologie der Arbeit hinterfragt die nächste Installation die Verbindung zwischen sozialer Ungleichheit und Widerstand. In der Installation Für Marie Antoinette '68 (2008) stellt Stilinović einen Tisch mit Kuchen, Steinen und Brotlaiben auf, in denen sich entweder ein Kuchen oder ein Stein befindet. Die Kuchen stehen dabei eindeutig für Marie Antoinette, die auf soziale Ungleichheit, politischen Elitismus und Luxus hinweist. Das Jahr im Titel der Installation bezieht sich auf das Jahr der großen Demonstrationen in Paris, bei denen die Demonstranten Steine als symbolische und tatsächliche Waffen im Kampf gegen das repressive Regime einsetzten. Hier wird die ewige Feindseligkeit zwischen den grundlegenden menschlichen Bedürfnissen – in diesem Fall Nahrung, symbolisiert durch das Brot – und der Vernachlässigung dieser Bedürfnisse durch das Regime dargestellt. Sowohl die Steine als auch die Kuchen können als Waffen in einem durch Ungerechtigkeit motivierten Aufstand verstanden werden. Die Steine sind hier das Werkzeug des einfachen Mannes, während die Kuchen das Werkzeug der herrschenden Arroganz darstellen.
In demselben Raum, an der Wand über dem Tisch mit der Installation Für Marie Antoinette '68, befindet sich ein Werk mit dem Titel Woof – Woof (2002). Das Werk besteht aus einem einfachen schwarzen Tuch mit einem gelben Quadrat in der Mitte, auf dem dreimal das Wort „VAU VAU VAU“ geschrieben steht. Die Verwendung der Farben Schwarz und Gelb kann als Ausdruck des Verhältnisses von Klarheit und Verwirrung in der politischen Sprache gedeutet werden – Schwarz als ernster Hintergrund und Gelb als auffälliger Kontrast, der die Aufmerksamkeit auf die geschriebenen Wörter lenkt. Das dreimal wiederholte VAU stellt das Bellen von Hunden dar und ist eine Anspielung auf lautes, aber substanzloses Gerede. Die Wiederholung erzeugt in diesem Kontext einen Rhythmus, der an den mechanischen, leeren Klang politischer Slogans erinnert. Der Klang der Hunde, also „VAU“, könnte auch auf endloses Lügen in der politischen Sprache anspielen – in bestimmten Sprachen des ehemaligen Jugoslawien (BKS) wird über jemanden, die*der lügt, gesagt, sie*er „lügt wie ein Hund“.

Als Kind der Titos Pioniere bedeutet diese Ausstellung für mich eine Begegnung mit der Doppeldeutigkeit und den Paradoxien zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Die Werke von Mladen Stilinović beschäftigen sich mit den Schichten der Ideologie, die ich in meiner Kindheit durch Erzählungen und Kultur geerbt habe, während sie gleichzeitig das idealisierte Bild Jugoslawiens hinterfragen und auf dessen Widersprüche hinweisen. Stilinović befreit die  Symbole des großen Jugoslawiens von Illusionen und romantischen Vorstellungen. Er dekonstruiert nicht nur die sozialistische bzw. jugoslawische Ideologie, sondern bietet auch eine universelle Reflexion über die modernen Machtsysteme. Stilinovićs kritischer Blick zeigt, wie Sprache – sei es in Form von Propaganda oder symbolischem Ausdruck – die Wahrnehmung von Realität und kollektives Bewusstsein prägt.
Die gesamte Ausstellung Die Sprache der Politik von Mladen Stilinović untersucht im Grunde genommen den schmalen Grat zwischen Autorität und Absurdität der Sprache. Sie ist ein Raum des ständigen Hinterfragens, in dem Kunst die Zerbrechlichkeit ideologischer Strukturen aufdeckt. Stilinović demonstriert in seinen Werken die Ambivalenz politischer Rhetorik – ihre Fähigkeit, kraftvoll zu klingen und Autorität darzustellen, aber auch ihre Neigung, auf bedeutungslose Phrasen reduziert zu werden, die zwar wenig sagen, aber viel Nachhall finden.



Galerie Martin Janda, Mladen Stilnović: O radu / On Work, Installation, 1980-1984



Galerie Martin Janda, Mladen Stilnović: Za Mariju Antoinettu #68/For Marie Antoinette #68, Installation with loaves of bread containing cakes and stone blocks from block paving on a table, 2008


Galerie Martin Janda, Mladen Stilnović: Vau-Vau/Woof-Woof, acrylic on artificial silk, 50x100cm, 2002



Galerie Martin Janda, Mladen Stilnović: Za Mariju Antoinettu ‘68 und Vau-Vau