(28.11.2024-23.01.2025 ) von Elizaveta Dimitrijevic | februar 2025
Das erste, was ich sah, als ich die Ausstellung Golden Cage des Künstlers Primoz Bizjak betrat, war eine grünliche Fotografie Munich Zoo n°2 (2017-2020). Die Landschaft, 157 x 250 cm groß, wirkte leblos und apokalyptisch, als ob es sich um eine Szene nach dem Kampf zwischen der Natur und den künstlichen Konstruktionen handelte. Obwohl das Foto in einem Zoo aufgenommen wurde, beherrscht die Natur den Raum und stellt ihre eigenen Gesetze auf. Dünne, spitze Äste umspannen das verwüstete Gebiet wie ein Spinnennetz. Der raue, steinige Boden scheint alles zu verschlucken, was auf seiner Oberfläche landet. Der aufgenommene Ort machte auf mich einen menschenfeindlichen und bedrohlichen Eindruck, so dass man Abstand halten wollte.
Das Werk ist der Kulminationspunkt der Ausstellung, die die erhabene Essenz der Natur durch die Wahrnehmung des Künstlers Primoz Bizjak im Medium der Fotografie offenlegt. Die erhabene Natur manifestiert sich als eine ungeordnete und unkontrollierbare Kraft, die so übermächtig ist, dass sie die menschlichen Sinne übersteigt und nicht vollständig erfasst werden kann. Auf zwei Etagen der Galerie von Gregor Podnar wurden neun Fotografien präsentiert, die in den Wäldern Madrids und im Münchner Zoo aufgenommen wurden. Beide Serien zeigen die unterschiedlichen Erscheinungsformen der erhabenen Natur in kontrastierenden Umgebungen: Ist die Natur im Zoo gefangen, so ist sie im Wald grenzenlos. Entsprechend dem Titel der Ausstellung — Golden Cage — stehen die in München entstandenen Fotografien im Mittelpunkt. Alle Werke verbindet eine gemeinsame Struktur: Sie teilen bestimmte Formate, Motive und Techniken, so dass jede Arbeit als Fortsetzung, Kommentar oder Kontrast zu einer anderen fungiert. So entstand ein vielschichtiges Netz aus Verweisen, das den gesamten Raum durchzog.
Die Natur Madrids in Bizjaks Fotografien ist frei, wild und omnipräsent. In den Aufnahmen des Künstlers ist der weite Himmel fast immer zu sehen. Dadurch spüren die Betrachter*innen die Unermesslichkeit der Landschaften für eine vollständige sinnliche Erfassung. Die Natur dominiert den Raum und drängt alles andere in den Hintergrund, als gehöre der ganze Bereich nur ihr. In Navacerada n°2 (2023) füllen voluminöse Baumkronen das Zentrum der Bilddarstellung: Sie scheinen eine Treppe zu umhüllen, deren Ende in ihrem Dickicht verborgen ist. Verglichen mit dieser Mächtigkeit, habe ich mich winzig und unbedeutend gefühlt.
Die Landschaften des Münchner Zoos sind hingegen wie in einem „goldenen Käfig“ eingesperrt, was durch die geschlossene Komposition der Aufnahmen vermittelt wird. Doch die Natur widersetzt sich: Sie lebt weiter und nährt ihre innere Kraft trotz der Einschränkungen. Besonders gut gelingt es dem Künstler, diese Übermacht durch die Verwendung von Negativen in seinen Werken zu verdeutlichen, die eine unendliche Tiefe schaffen, reich an geheimnisvollem Leben. Mit den Negativen bricht Bizjak auch die Wahrnehmung der bildlichen Darstellung und lässt die Betrachter*innen verblüfft von dem, was sie sehen. Auf dem großformatigen München Nr. 5 (2020) erkennt der Verstand die Umrisse der Bäume und versucht angestrengt, dem Motiv eine vertraute Form zu geben. Doch das Auge sieht im Gesamtbild nur eine Abstraktion, in der es sich unwillkürlich verliert. Auf diese Weise gelingt es dem Künstler zu vermitteln, dass die Kräfte der Natur das menschliche Fassungsvermögen übersteigen. Als ich vor dem Werk stand, empfand ich ein Gefühl der Hilflosigkeit angesichts einer so gewaltigen Kraft.
Obwohl sich das eigentliche Wesen der erhabenen Natur nicht in einer endlichen bildlichen Darstellung einfangen lässt, da sie sich durch eine zu große Vielfalt, Intensität und Dynamik auszeichnet, gelingt es Bizjak durch bestimmte Techniken, diese Eigenschaften anschaulich und erlebbar zu machen. Die so entstandenen Aufnahmen können als inszenierte Bühnen gelesen werden, auf denen die Natur selbst agiert. Die Aufteilung der Kompositionen in Diptychen oder Tetraptychen stellt für den Künstler eine Möglichkeit dar, um auf die Unermesslichkeit des Landschafts hinzuweisen. Indem Bizjak die Bilddarstellung in mehrere Teile zerschneidet, verweist er auf das Problem, das wahre Wesen der Natur auf einer einzigen Leinwand darzustellen – eine Natur, die nicht durch Grenzen oder Begrenzungen definiert werden kann. Dazu verwendet der Fotograf in vielen seiner Werke sowohl das Negativ als auch das Positiv der Aufnahmen, um die Vielseitigkeit der Landschaften zum Ausdruck zu bringen. Die Natur enthält feine Details und verborgene Strukturen, die in einer einzelnen Darstellung vielleicht übersehen würden. So werden Bizjaks Werke lebendig, als würden sie ständig ihre Erscheinung verändern und immer wieder neue Seiten und Schichten der Szene enthüllen.
Die Ausstellung offenbart die Natur als faszinierende und zugleich bedrohliche Kraft, die die Menschen in ihre Tiefen zieht, aber zugleich prüft, ob sie für diese Begegnung bereit sind. Erst wenn man sich völlig dem Werk hingibt und seine Verletzbarkeit erkennt, kann man die Macht und den Einfluss der Natur auf sich erfahren.
Photo Courtesy: Primoz Bizjak
Courtesy: the Artist and Gregor Podnar
Vienna
Photo Courtesy: Primoz Bizjak
Courtesy: the Artist and Gregor Podnar
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Photo Courtesy: Primoz Bizjak
Courtesy: the Artist and Gregor Podnar
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Ausstellungsansicht, Photo Courtesy: Manuel Carreon Lopez Courtesy: the Artist and Gregor Podnar
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