curated by Bianca Stoppani
(5.9.25-4.10.2025 ) von Svea Grasberger | september 2025
Sie soll uns führen, ohne dass wir sie sehen: Die „unsichtbare Hand“, die Adam Smith im 18. Jahrhundert als regulierende Instanz des Marktes entwarf, beschreibt das Paradox, dass individuelles Eigeninteresse unbeabsichtigt zum Wohl des Kollektivs beitragen kann. Die Ausstellung The Invisible Hand in der Galerie Gianni Manhattan stellt diese ökonomische Vision auf die Probe. Sie zeigt, dass das Versprechen von Selbstregulierung nicht nur prekär ist, sondern zutiefst ideologisch aufgeladen. In den Arbeiten von Morag Keil, Bianca Hlywa und Margherita Raso werden unsichtbare Dynamiken des Marktes in sinnlich erfahrbare Formen übersetzt – als subtile Aggression, als rhythmische Naturgewalt oder als schweres industrielles Gerüst.
Bereits beim Betreten des Raumes wird klar, wie umfassend das Prinzip in den Alltag eingreift. Morag Keils Installation Passive Aggressive (2016) legt sich als akustisches Grundrauschen über die gesamte Ausstellung. Damit verweist sie auf eine der zentralen Qualitäten der unsichtbaren Hand: ihre ständige Präsenz. Sie lenkt unser Handeln, ohne dass wir sie bewusst wahrnehmen. Erst beim Nähertreten erschließt sich das visuelle Gegenstück: Auf mehreren Bildschirmen läuft dasselbe Video, gefilmt mit einer Handkamera, roh und unmittelbar. Zu sehen sind Motorräder, die bildsprachlich als sexualisierte Objekte inszeniert werden. Die Bildsprache verweist auf den Fetischcharakter des Konsums – auf jenes Moment, in dem der Markt nicht nur Bedürfnisse befriedigt, sondern neue Begehrlichkeiten erzeugt und steigert. Immer wieder durchbrechen Werbeclips, Cartoons oder Momente völliger Stille diese Choreographie. Eingriffe, die daran erinnern, dass das Versprechen der Selbstregulierung eine Illusion ist, weil das Begehren stets von außen gelenkt wird. Keils Arbeit dekonstruiert damit das zentrale Versprechen der unsichtbaren Hand, dass aus individuellen Entscheidungen ein stabiles Gleichgewicht entstünde. Stattdessen zeigt sich ein System, das Reiz und Unterbrechung, Lust und Kontrolle zyklisch verschränkt.
Bianca Hlywas Image of the Tide (2017) verschiebt den Fokus von den Mechanismen des Begehrens auf die ökologische Dimension ökonomischer Prozesse. Ein transparenter Plastiksack mit einem lebenden SCOBY wird durch einen Ventilator in ständiger Rotation gehalten. Das Material wirkt verletzlich, beinahe provisorisch, und doch entfaltet die Bewegung eine hypnotische Kraft. Diese Installation konfrontiert die Besucher*innen mit der Fragilität von Leben im Spannungsfeld zwischen Natur und Technik. Die Bakterien-Hefe-Kultur wächst und lebt nur durch menschliche Fürsorge, zugleich wird sie durch die Maschine in Bewegung gehalten. Die Installation deutet damit auf eine fundamentale Grenze der unsichtbaren Hand hin: Sie funktioniert nur, solange natürliche Ressourcen und Rhythmen verfügbar bleiben. Die kreisende Bewegung des SCOBY verweist auf Zyklen, die dem Markt vorgelagert sind – auf biologische und ökologische Prozesse, die nicht durch Selbstregulierung des Marktes ersetzt werden können. Hier wird sichtbar, dass die unsichtbare Hand blind bleibt gegenüber den Voraussetzungen, die sie benötigt, und damit ihre eigene Fragilität offenbart.
Margherita Rasos monumentale Installation Studio (2024) schließlich konfrontiert die Betrachter*innen mit der Materialität ökonomischer Prozesse in einer geradezu bedrückenden Bildsprache. Ein massives Eisengitter hängt frei im Raum. Scheinbar schwebend und von allen Seiten umgehbar, bleibt man doch in seiner Logik gefangen. Wer sich davor positioniert, steht zugleich „draußen“ und „drinnen“, ist Beobachter*in und Gefangene*r zugleich. Dieser Eindruck einer endlosen Struktur, die weder Anfang noch Ende kennt, wird von der Glasdecke der Galerie verstärkt, deren Aufbau dem des Gitters entspricht. In dem Gitter hängt ein roter Schulterpanzer, schwer und schlaff, wie ein Stück lebloses Fleisch. Zwischen Verletzlichkeit und Gewalt erscheint er wie ein Symbol für jene Opfer, die die unsichtbaren Strukturen des Marktes fordern. Damit führt Studio die ökonomische Metapher der unsichtbaren Hand an ihre dunkle Kehrseite. Wo Smith von Freiheit und Selbstregulierung sprach, evoziert Raso Bilder von Einengung und Kontrolle. Das Gitter wird zum Sinnbild jener Strukturen, die uns halten, lenken und beschränken, während wir glauben, uns frei zu bewegen.
Margherita Rasos monumentale Installation Studio (2024) schließlich konfrontiert die Betrachter*innen mit der Materialität ökonomischer Prozesse in einer geradezu bedrückenden Bildsprache. Ein massives Eisengitter hängt frei im Raum. Scheinbar schwebend und von allen Seiten umgehbar, bleibt man doch in seiner Logik gefangen. Wer sich davor positioniert, steht zugleich „draußen“ und „drinnen“, ist Beobachter*in und Gefangene*r zugleich. Dieser Eindruck einer endlosen Struktur, die weder Anfang noch Ende kennt, wird von der Glasdecke der Galerie verstärkt, deren Aufbau dem des Gitters entspricht. In dem Gitter hängt ein roter Schulterpanzer, schwer und schlaff, wie ein Stück lebloses Fleisch. Zwischen Verletzlichkeit und Gewalt erscheint er wie ein Symbol für jene Opfer, die die unsichtbaren Strukturen des Marktes fordern. Damit führt Studio die ökonomische Metapher der unsichtbaren Hand an ihre dunkle Kehrseite. Wo Smith von Freiheit und Selbstregulierung sprach, evoziert Raso Bilder von Einengung und Kontrolle. Das Gitter wird zum Sinnbild jener Strukturen, die uns halten, lenken und beschränken, während wir glauben, uns frei zu bewegen.
The Invisible Hand. Bianca Hlywa, Morag Keil, Margherita Raso. 01 _ The Invisible Hand. Bianca Hlywa, Morag Keil, Margherita Raso. Curated by Bianca Stoppani, installation view GIANNI MANHATTAN, Vienna (2025), photo: kunstdokumentation.com, courtesy the artists and GIANNI MANHATTAN, Vienna
Bianca Hlywa, Image of the Tide, 2017. Fan motor, wood, rope, plastic bag, SCOBY. Dimensions variable. photo: kunstdokumentation.com, courtesy the artist and GIANNI MANHATTAN, Vienna
The Invisible Hand. Bianca Hlywa, Morag Keil, Margherita Raso. Curated by Bianca Stoppani, installation view GIANNI MANHATTAN, Vienna (2025), photo: kunstdokumentation.com, courtesy the artists and GIANNI MANHATTAN, Vienna