(17.01.2025-08.03.2025) von Antonia Adlbrecht | märz 2025
Ein Theaterabend ist insofern besonders, da er sich durch seine Einmaligkeit und Unwiederholbarkeit auszeichnet. Derselbe Raum, bespielt von denselben Schauspieler*innen, nach demselben Skript, verändert sich unverfehlbar von Mal zu Mal. Zumeist bleibt nur das Erlebte als Erinnerung der Besucher*innen. Als mögliche Zeug*innen verstauben Kostüm und Requisite später im Fundus, ohne jedes Potenzial, das Erfahrene wiederzubeleben oder authentisch nachzuzeichnen. Besucher*innen der Galerie Charim werden schon am Eingang den von zwei Masken flankierten Hinweis gelesen haben: “The work in the exhibition was painted onstage during the two months of rehearsals and eleven performances of the play Alte Meisterin at the Kosmos Theatre, Vienna in October 2024, produced by makemake produktionen and directed by Sara Ostertag.” Im ersten Raum der Ausstellung Offstage ist das anders. Locker, sich stellenweise überlappend und somit teilweise verdeckend, lehnen zwölf Bilder an den Wänden, je 195 x 146 cm. Immer dieselbe Fotografie diente wiederholt als Grund für Übermalungen und verdeutlicht so, wie immer der gleiche Ausgangspunkt – die auf der Bühne stattfindende Performance – Unikate schafft. Die Künstlerin Eva Beresin erdenkt für jede der neun nun nicht mehr sichtbaren Menschen auf der Fotografie zwölf Mal eine neue Figur. Es sind Tiere, Kuscheltiere, Menschen, manchmal fast Monster, die sich in verschiedenen Farben und Formen immer gleich aneinander schmiegen. Von den Bildern umzingelt, steht in der Mitte des Raumes eine Kleiderstange, behängt mit 19 bemalten Sakkos. Es ist nicht einfach ein Kostüm, das hier gezeigt wird, sondern durch die rosa Farbflecken fabrizierte Relikte des Theaters. Insgesamt ergibt das Arrangement den Eindruck eines Fundus: gesammelt und vereint präsentieren sich hier die Arbeiten aus Proben und elf Theaterabenden.
Für jene, die nicht an einem dieser Theaterabende teilhatten, wird in einem kleinen Nebenraum das Stück auf Dauerschleife gespielt. Dem Bildschirm gegenüber befindet sich ein Sessel aus der Requisite, an den Wänden hängen Masken. Es sind schrumpelige Köpfe, die aus Beresins Fantasiewelten gesprungen scheinen und somit einen eindeutigen Bezug zu ihrer Malerei herstellen. Der hier nachzufühlende Theaterabend formuliert eine feministische Kanon-Kritik und stellt das Leben von Künstlerinnen, alten Meisterinnen, in den Mittelpunkt. Neben der indirekten Erzählung vom Theater im ersten Raum und der direkten Nacherzählung im Bildschirmraum ist es Eva Beresin selbst, als gewählte alte Meisterin, die im Pressetext von der Zusammenarbeit bei diesem Projekt berichtet. Es ist ein Ausstellungstext, der die Künstlerin von ihrer Zusammenarbeit mit „jungen, kreativen Feministinnen“ erzählen lässt, ohne von institutioneller Seite zu belehren: „Ich bin wie ein Staubkorn im Wind – ein Relikt aus der Vergangenheit, das sich im Sturm der Gegenwart zu behaupten versucht. Wir arbeiten mit Zitaten aus feministischen Büchern, […] während ich versuche, aus dieser Mischung eigene Arbeiten zu schaffen.“
Zurück in der Galerie Charim: Am Raum mit der Videoaufzeichnungn vorbei und durch den auf das Theaterstück bezogenen ersten Raum hindurch, zeigt sich die Ausstellung in den letzten zwei Räumen in klassischerem Galerie-Setting. Wo im ersten Raum die am Boden stehenden Bilder das Gefühl vermittelten, als mögen sie gleich weggetragen werden, befinden sich hier alle Arbeiten an weißer Wand. Die auffallend tiefe Hängung ist wohl als kuratorische Entscheidung zu verstehen, sodass die von Beresin zentralperspektivisch organisierten Räume sich den Betrachter*innen intensiv eröffnen lassen. Der*die aufmerksame Besucher*in wird einige der Bilder aus dem Theaterstück wiedererkennen. Dabei handelt es sich um jene Malereien, die als Bühnenbild das dort inszenierte Atelier formten und somit in jeder der elf Aufführungen zu sehen waren. Sie fallen durch ihre größere Dichte und detaillierte Ausarbeitung auf. Gezeigt wird noch ein zweiter Typus, auch Malereien, die aber eher skizzenhaft anmuten. Roh, auf weißer Leinwand, mit zeichnerischem Schwung, modellieren sich Figuren aus den Acrylstrichen, eingebettet in geschmierte Flächen. Der weiße Bildraum und vertraute Motive sind es nun, die Maria Lassnig in diesem zweiten Teil der Ausstellung spürbar machen. Neben der auf der Bühne befindlichen zeitgenössischen Malerin Eva Beresin ist sie die Meisterin, deren Leben im Theater nacherzählt wurde. Schon der Untertitel kündigte die miteinbezogenen Künstlerinnen an: Lassnig/Beresin/Bitzian und vereint alle drei geschickt durch ein Titelbild, das Lassnigs Doppelselbstporträt mit Kamera zitiert. Gleichzeitig weist es darauf voraus, wie in der Erzählung die Akteurinnen auf der Bühne in Maria Lassnigs Porträt integriert werden.
Auch wenn besagtes Titelbild nicht in der Ausstellung gezeigt wird, deutet es an, wie Beresin und Lassnig sich in diesem Projekt verschränken. Die Arbeiten behandeln Lassnig-Zitate auf dem Präsentierteller. So zum Beispiel Du oder Ich in Beresins Gemälde You or me or both of us? Beresin wählt Lassnig dabei als Ausgangspunkt für ihre eigenen Überlegungen, bettet deren Motive in ihre Welten ein und zitiert im Titel so offensichtlich, als nutze sie eine Fußnote. Im performativen, fiktiven Atelier-Setting ist Lassnigs Figur, eine Waffe am eigenen Kopf, eine andere Waffe auf die Betrachter*innen gerichtet, über die elf Abende Beresins kontinuierlicher Überarbeitung unterworfen. Im starken Kontrast zu Lassnigs Original erweitert und verdichtet sich der gemalte Raum von Abend zu Abend. Wo das Stück Lassnigs Techniken und Herangehensweisen erforscht und präsentiert, werden diese nicht von der malenden Meisterin adaptiert, sondern das Motiv der alten Meisterin wird, im konstruierten Setting, unter dem Pinsel der zeitgenössischen Malerin weitergedacht.
In der Tradition alter Meister*innen zu arbeiten, ist kein Novum in der Kunstgeschichte; hier wird dadurch aber kein Legitimationsanspruch formuliert, sondern zwei verschiedenen Ären angehörende Künstlerinnen kollaborieren und nehmen damit an der Umformulierung des Kanons teil. Das Theater als Medium der Vermittlung und der Fundus als das Medium der Präsentation zu wählen, machen dabei den Reiz der Ausstellung aus: denn hier verschränken sich Kunstgeschichte, Malerei und Performance im dem Zufall unterworfenen und zugleich wohl überlegten, konstruierten Theaterraum .
Eva Beresin, Offstage, Charim Galerie, 2025. Foto: Flavio Palasciano
Eva Beresin, Offstage, Charim Galerie, 2025. Foto: Flavio Palasciano
Eva Beresin, Offstage, Charim Galerie, 2025. Foto: Flavio Palasciano
Eva Beresin, You me or both?, Offstage, Charim Galerie, 2025. Foto: Flavio Palasciano